Das Institut für Psychoanalyse IPF in Frankfurt

1994 gründete Prof. Christa Rohde-Dachser, die damals den von Alexander Mitscherlich 1966 etablierten Lehrstuhl für Psychoanalyse an der Goethe-Universität innehatte, mit Unterstützung einiger anderer Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft aus dem Raum Heidelberg-Mannheim das „Institut für Psychoanalyse Frankfurt“ (IPF). Das IPF ist ein Ausbildungsinstitut in der DPG.

Die „Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft“ DPG ist aus der von Karl Abraham 1908 gegründeten „Berliner Psychoanalytischen Vereinigung“ hervorgegangen und wurde 1910 Mitglied der „Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung IPV“. In den darauffolgenden Jahren entstanden in Deutschland mehrere psychoanalytische Zentren. Das 1929 in Frankfurt gegründete Psychoanalytische Institut bekam damals eine besondere Bedeutung durch seine enge Verbindung mit dem seit 1931 von Max Horkheimer geleiteten Institut für Sozialforschung, dem seit 1930 auch Erich Fromm angehörte, und der Frankfurter Universität.

Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 kam die Entwicklung der Psychoanalyse in Deutschland zum Stillstand. Die Psychoanalyse wurde als „jüdische Wissenschaft“ gebrandmarkt, viele der jüdischen Mitglieder der DPG mussten das Land verlassen. Die wenigen noch in Deutschland verbliebenen jüdischen Mitglieder wurden 1935 infolge des Beschlusses der Generalversammlung der DPG auf Druck des NS-Regimes aufgefordert, aus der Gesellschaft auszutreten. Die verbliebenen „arischen“ Mitglieder der DPG wurden auf Betreiben der Nationalsozialisten in das sogenannte „Reichsinstitut“, einem 1936 gegründeten „Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ in Berlin eingegliedert. 1938 löste sich die DPG endgültig auf und bildete von da an im Reichsinstitut die „Arbeitsgruppe A“.

Die nach Kriegsende von den Mitgliedern wieder konstituierte Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft war nicht frei von Verstrickung und Anpassung an die nationalsozialistische Ideologie, was zu starken Spannungen unter den Mitgliedern führte. Die Meinungsunterschiede zwischen den Anhängerinnen und Anhängern der von Schultz-Hencke vertretenen Neoanalyse und den „klassischen“ Freudianerinnen und Freudianern führte 1950 zur Spaltung der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. Müller-Braunschweig als Vertreter der „klassischen“ Freudianer trennte sich mit einigen Mitgliedern und gründete die „Deutsche Psychoanalytische Vereinigung“ DPV, die 1951 wieder in die IPV aufgenommen wurde.
Die Rest-DPG blieb in den folgenden Jahren noch stark geprägt vom Einfluss der Lehre von Schultz-Henckes „Neoanalyse“ und verlor für die nächsten zwei Jahrzehnte den Anschluss an die Entwicklung der Psychoanalyse in der IPV.

Alexander Mitscherlich, der später der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung beitrat, verhalf der Psychoanalyse im Nachkriegsdeutschland wieder zu gesellschaftlicher Anerkennung. Durch sein politisches Engagement kam es 1960 in Frankfurt zur Gründung des vom Hessischen Land getragenen Sigmund-Freud- Instituts und des Lehrstuhls für Psychoanalyse und Psychosomatik, dessen Leiter Mitscherlich wurde. Er knüpfte in dieser Zeit zahlreiche Verbindungen mit dem Ausland und lud viele der einst geflohenen deutschen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker zu Vorträgen nach Heidelberg und Frankfurt ein. Im Zuge dieser Entwicklung konnte 1985 erstmals wieder ein Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Hamburg stattfinden. Viele der ehemals geflüchteten Analytikerinnen und Analytiker kehrten nach ihrer Vertreibung erstmals wieder nach Deutschland zurück, um an dem Kongress teilzunehmen.

In der Folge dieses Kongresses begann in der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung ebenso wie innerhalb der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft die Auseinandersetzung mit der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit. In der DPG fand damit auch eine Wiederannäherung an die Psychoanalyse von Sigmund Freud und an die Internationale Psychoanalytische Vereinigung statt. Im Zuge dieser Entwicklung wurden Aufnahmeverhandlungen mit der IPV begonnen. Diese führten 2001 zur Aufnahme der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft in die Internationale Psychoanalytische Vereinigung. 2009 wurde die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft als Zweiggesellschaft der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung anerkannt.

Eine ausführlichere Darstellung der Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland und ihrer Spaltung nach dem Ende des Nationalsozialismus finden Sie in:

Brecht, K. (1985):

Hier geht das Leben auf eine sehr merkwürdige Weise weiter…
Zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland

Lockot, R. (1994):

Die Reinigung der Psychoanalyse
Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Spiegel von Dokumenten und Zeitzeugen. (1933-1951)

Kreuzer-Haustein, Ursula (20013):

Die Beziehungsgeschichte von DPV und DPG 1945 bis 1967: Offene und verborgene Auseinandersetzungen mit der NS-Geschichte.
In: Psyche 8/2013

Psyche 12/2010:

100 Jahre IPV, 100 Jahre institutionalisierte Psychoanalyse in Deutschland, Brüche und Kontinuitäten

Schröter, Michael (2009):

Hier läuft alles zur Zufriedenheit, abgesehen von den Verlusten … Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft 1933–1936.
In: Psyche 11, 2009